Fast jeder der sich intensiver mit Wein beschäftigt, wird früher oder später auf verschiedene Arten der Weinbewertung stoßen. Was bringen Weinbewertungen? Kann man diesen vertrauen? Sind Weinbewertungen nur ein Marketinginstrument, damit der Kunde einen bestimmten Wein kauft? Der Wein-Laie hat hier Fragen über Fragen. Die häufigsten Methoden der Wein-Bewertungen habe ich bereits beschrieben.
Wein ist Geschmackssache. Menschen können einen unterschiedlichen Geschmack haben. So ist es eigentlich nicht verwunderlich, warum manche Weinbewertungen von unterschiedlichen Verkostern unterschiedlich ausfallen können. Selbst Wein-Experten können eine Vorliebe für den ein oder anderen Charakter eines Weines haben. Dennoch wundere ich mich seit mindestens 30 Jahren über seltsame Abweichungen bei manchen Weinbewertungen.
Sinn und Zweck von Weinbewertungen
Das europäische 20 Punkte Wertungssystem war ursrpünglich für die Ermittlung der besten Weine einer Region und eines Landes gedacht. Viele Wein-Experten aus Europa nutzen dieses Bewertungssystem auch heute noch. Als der US-Amerikaner Robert Parker seinen ersten Weinguide veröffentlichte, bewertete er die verkosteten Weine nach einem 100 Punkte-System. Die Bewertungen wurden vom Schulnoten-Sysem der USA abgeleitet. 100 Punkte erhält ein Weltklassewein. Heutzutage haben auch viele Bewerter in Europa das 100 Punkte System übernommen. Es bietet am meisten Spielraum um leichte Nuancen zu differenzieren. Robert Parker ging es als unabhängiger Wein-Journalist allerdings eher darum, für Verbraucher eine bessere Entscheidungshilfe anzubieten. Mit seinem Punktesystem hat er das zum Teil erreicht. Jeder Verbraucher kann damit das Preis- Leistungsverhältnis besser einschätzen. Allerdings auch nur, wenn er den gleichen Geschmack wie Robert Parker hat. Und da sind wir bereits beim großen Manko aller Weinbewertungs-Systeme. Einer Weinbewertung kann man nur trauen, wenn man einen vergleichbaren Geschmack wie der Bewerter hat. Und selbst dann wird das nicht in allen Fällen zutreffend sein.
Welcher Weinbewertung kann man Vertrauen schenken?
Im Prinzip keiner. Einzig und allein entscheiden am Ende die eigene Nase und der eigene Gaumen darüber ob ein Wein gut oder weniger gut ist. Am besten ist da der Weinhändler deines Vertrauens. So hat bei mir der Weingenuß angefangen. Vor über 30 Jahren gab es um die Ecke von meinem damaligen Arbeitgeber eine Weinhandlung. Nach Feierabend habe ich diese besucht. Damals hatte ich noch wenig Ahnung über Wein. Beim ersten Einkauf bekam ich eine gute Auswahl von 10 verschiedenen Weinflaschen empfohlen. Als Orientierung gab ich mein Preisbudget an. Erfahrungswerte konnte ich noch nicht geben. Ein paar Weine konnte man sogar verkosten und schon einmal eine grobe Geschmackrichtung ermitteln. Nicht alle 10 Weine fand ich toll. Dennoch waren einige leckere Tropfen darunter. Bei den nächsten Einkäufen wurde die Trefferquote der empfohlen Weine wesentlich höher. Der Fachhändler wusste nun was ich für einen Geschmack hatte. Zudem war ich sehr wissbegierig und wollte verschiedene Weine probieren. Grundwissen über viele Weine habe ich damals in der Weinhandlung mit auf meinen Weinweg bekommen. Sozusagen gratis.
Sorry, ich schweife von den Weinbewertungen haben. Dennoch möchte ich jedem empfehlen einen Weinhändler seines Vertrauens in seiner Region zu suchen und sich dort mit seinen bisherigen Geschmackserfahrungen auf eine Beratungsreise einzulassen. Das empfehlen übrigens auch sehr viele Wein-Experten. Vom Fachhändler erhält man sehr viel Hintergrundwissen über den Winzer und den Wein.
Obwohl ich mich seit über 30 Jahren über manche Weinbewertung wunder oder manchmal sogar ärgere, lese ich solche Informationen auch heute noch. Wenn ich ehrlich bin, dienen sie mir auch heute noch für eine grobe Orientierung. Auch wenn es manchmal Reinfälle gibt. Nicht immer trifft ein hoch bewerteter Wein meinen Geschmack. Schauen wir erst einmal welche Weinbewertungen es gibt? Ich werde diese einfach in alphabetischer Reihenfolge betrachten.
Eichelmann – Was bringen Weinbewertungen?
Der Eichelmann galt lange als einzige Alternative zum Gault Millau. Auch heute ist er eine umfangreiche Informationsquelle für deutschen Wein. Die Aufnahme neuer Weingüter und Weine wird im Eichelmann meist zeitnah praktiziert. Das liegt daran, daß Wein generell blind und mehrfach und von verschiedenen Verkostern probiert wird. Mein subjektiver Eindruck ist, daß die Weinbewertungen meist näher an meinem Geschmacksempfinden liegen, wie im Gault Millau oder Vinum.
Falstaff – Was bringen Weinbewertungen?
Der Falstaff ist eigentlich ein österreichisches Gourmet-Magazin, welches im größeren Umfang über Wein berichtet. Seit 2013 veröffentlicht der Falstaff auch einen Weinguide über deutsche Weine. Die Wertungen deutscher Weine erscheinen mir im Falstaff vereinzelt recht hoch. Wobei viele Bewertungen für meinen Geschmack der Realität näher kommen als im Vinum oder Gault Millau.
Gault Millau – Was bringen Weinbewertungen?
Von 1993 bis 2020 war dies wohl die führende Weinübersicht über deutsche Weingüter und Weine. Seit 2021 gibt es in völlig geänderter Form regionelle Weinführer. Ich habe mir den Baden und Württemberg 2021 gekauft und war maßlos enttäuscht. Das 100-Punkte Wertungssystem wurde in ein bis fünf Trauben-System verwässert. Viele Weine fehlen. Dafür gibt es gastronomische Tipps vom Verlag oder den Winzern aus deren Region. Druckfehler gibt es enorm viele. Man merkt das der ehemalige langjährige Chefredakteur Joel Payne 2017 mit der kompletten Mannschaft zum Vinum Weinguide gewechselt ist. Viel Fachkompetenz ging im Gault Millau verloren.
Vinum – Was bringen Weinbewertungen?
Die Ausgabe 2022 ist meine erste Vinum Ausgabe. Seit 2017 ist Joel Payne mit seinem gesamten Gault Millau Team zu Vinum gewechselt. Der Vinum Weinguide ist somit auch eine fast 100%ige Weiterführung des klassischen Gault Millau. Mit allen Stärken und Schwächen. Leider werden die Rotweine aus Württemberg weiterhin stark unterbewertet. Vergleicht man die Wertungen im Falstaff oder Eichelmann, kommen dort viele Rotweine aus Württemberg spürbar besser weg.
Weinhändler – Was bringen Weinbewertungen?
Manche Online-Weinhändler bewerten auch die angebotenen Weine. Man wird schnell bei Vergleichen mit anderen Bewertern feststellen, daß die Bewertungen nach Punkten von Weinhändlern meist höher ausfallen. In solchen Fällen soll lediglich der Wein an den Kunden gebracht werden. Ob das seriös ist oder nicht muß jeder selbst entscheiden.
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Internationale Weinbewertung – Was bringen Weinbewertungen?
Die bisher genannten Weinbewerter decken lediglich Deutschland ab. Natürlich gibt es in den meisten Weinländern einen oder sogar mehrere Bewerter. Darüber hinaus gibt es auch Wein-Fachmagazine die überregional Weine bewerten. Ich werde ich lediglich die mir bekannten erwähnen.
In Italien werden Weine in den folgenden Werken veröffentlicht: Gambero Rosso, Veronelli, l’Espresso und Bibenda. A La Carte ist ein Weinführer über die Weine aus Österreich. Auch der Fallstaff gibt einen Weinführer heraus. Zudem erscheinen im Fallstaff-Magazin aktuelle Verkostungsbewertungen von Weinen. Der Guida Penin ist für seine umfangreichen Bewertungen von Weine aus Spanien bekannt. Der Guide Hachette beschreibt eine große Anzahl französischer Weine.
Darüber hinaus gibt es auch Fachmagazine und Weinexperten die in ihrem Fachbereich oder als Team weltweit Weine verkosten. Das britische Magazin Decanter veröffentlicht eine reichliche Anzahl an Weinverkostungen. Der kleine Johnson vermittelt verständlich Grundwissen über Wein. James Suckling ist ein Weinkritiker aus den USA. Jancis Robinson gilt als britische Weinkritikerin als unbestechlich. Jeb Dunnuck ist Experte für Rhone-Weine. Tim Atkin ist unabhängiger Weinjournalist. Mit Sicherheit fehlen in der Auflistung noch einige Weinexperten. Gerne könnt Ihr in den Kommentaren weitere Weinexperten nennen.
Welcher Weinguide ist besser?
Eine pauschale Aussage ist da nicht möglich. Der Gault Millau hat sein Konzept umgestellt. Ob das beim Kunden ankommt wird die Zukunft zeigen. Ich glaube, daß diese Umstellung das Ende eine jahrzentelangen Ära sein wird. Das ist aber nur meine Einschätzung.
Der Falstaff hat bei weitem nicht den Umfang wie der Eichelmann und Vinum. Dennoch fehlen manche Weingüter im Eichelmann und Vinum. Da kann der Falstaff manchmal die ein oder andere Lücke ergänzen. Die realistischsten Bewertungen haben für meinen Geschmack der Eichelmann. Der Falstaff liegt häufig auch nahe meiner Geschmacksrealität. Der Vinum führt das veraltete strenge Gault Millau Konzept offenbar weitgehenst weiter. Viele Rotweine aus Württemberg werden weiterhin übertrieben unterbewertet. Auch einige der Rieslinge aus Württemberg werden oft stark unterbewertet. Bei Vinum versteht man viele Württemberger nicht. Obwohl Frank Kämmer als Master Sommelier aus Schwaben es eigentlich besser wissen müsste?
Wer einen umfassendes realistischen Überblick über die deutsche Weinwelt und Weinqualitäten haben möchte wird mit dem Eichelmann am meisten Freude haben. Der Gault Millau ist derzeit nur zu empfehlen, wenn man eine bestimmte Weinregion näher erkunden möchte. Dennoch findet man im Gault Millau nicht die Fülle an Weinen wie im Eichelmann. Dafür gibt es noch manch interessantes Restaurant oder Hotel in der Weinregion als Tipp. Wer vor Ort beim Winzer die Weine verkosten möchte, durchaus eine hilfreiche Infoquelle. Den Falstaff habe ich bisher nur ein einziges Mal gekauft. Leider wird er nicht jährlich neu aufgelegt.
Wie kannst du Weinbewertungen nutzen?
Wer Wein nur nach einer Bewertung kauft, wird nicht immer Genuß mit dem erworbenen Wein erleben. Geschmack ist individuell. Eine Weinbewertung kann dennoch eine grobe Orientierungshilfe sein. Sie kann aber nie den persönlichen Geschmack ersetzen. Probieren geht über studieren. Die beste Möglichkeit ist immer das Probieren. Am Ende entscheidet der persönliche Geschmack.
Am besten nachvollziehen kann ich Bewertungen im Eichelmann. Diese entsprechen am ehesten meinem Geschmack. Bei internationalen Weinen verlasse ich mich in erster Linie auf einen Händler meines Vertrauens. Damit habe ich bisher nur beste Erfahrungen gemacht.
Unabhängig davon lese ich weiterhin in Weinbüchern und Magazinen und lasse mich dort von neuen Genuß-Möglichkeiten inspirieren. Wein-Zeitschriften lese ich inzwischen über Readly. Das ist eine Plattform bzw. App für das Tablet oder Smartphone. Dort gibt es eine sehr umfangreiche Auswahl an deutschen und internationalen Zeitschriften. Die Nutzung ist monatlich oder jährlich gegen Gebühr möglich. Der erste Monat ist über diesen Link gratis.
Weinführer und Bewertungen bieten lediglich einen groben Anhaltspunkt. Am Ende muß der eigene Gaumen entscheiden, ob man einen Wein großartig findet.
Eines der wichtigsten Details beim Thema Weinführer würde ich noch ergänzen wollen:
Bezahlen die zu prüfenden Weinerzeuger dem Verkoster Geld für die Teilnahme an seiner Veröffentlichung ?
Bei vielen Weinführern muss der Erzeuger zuerst bezahlen, dann gibt es Noten. Etwa die Hälfte aller Veröffentlichungen sind jedoch rein redaktionell und somit bezahlt der Leser hier.
Weinerzeuger bezahlt für Bewerbungen…
Falstaff: 500-1000€
Eichelmann: 150-300€
Feinschmecker: 100-200€
Gault Millau: 300-700
Leser bezahlt für Bewertungen
Wein-plus
Vinum
James Suckling
Weinwisser
Jancis Robinson
Robert Parker
Vinous